Zucker, die unsichtbare Gefahr

Child chooses donut over orange
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Human Content – OHNE KI erstellt

Wir haben ein Riesenproblem. Du, deine Freunde, deine Familie, allen voran deine Kinder. Das Problem heißt Zucker. Wenn du jetzt denkst: „Ich bin gar nicht betroffen, weil ich dünn und sportlich bin, meine Kinder auch“, dann stimmt das nicht unbedingt. Im Alltag können wir alle dem versteckten Zucker kaum entgehen. Warum das wirklich dramatische Auswirkungen auf die Entwicklung und die Gesundheit deiner Kinder hat, erklären wir ausführlich in diesem Artikel.

Dabei entkräften wir folgende Mythen:

  • Wer schlank und gesund bleiben möchte, muss Sport treiben und weniger essen.
  • Wer nur wenig Süßes ist, bekommt kein Problem mit Zucker.
  • Wer dünn ist, bekommt kein Problem mit Zucker.
  • Offizielle Labels sind ein Garant für gesunde Produkte.
  • Herzhafte Gerichte enthalten keinen Zucker.
  • Lightprodukte sind eine gute Alternative.
  • Frühstückscerealien sind gesund.
  • Süßstoffe sind die Lösung.
  • Fett macht fett.
  • Saft ist gesund.

Pandemie der Fettleibigkeit

Der Zuckerverbrauch auf der Welt war noch nie so hoch wie derzeit, er hat sich in den letzten 50 Jahren sogar verdreifacht. 35 Kilogramm Zucker nehmen Deutsche und Franzosen durchschnittlich im Jahr zu sich, bei Südamerikanern sind es sogar über 60 Kilogramm. Dabei rät man zu 9 Kilogramm im Jahr, um gesund zu bleiben. 

Am Tag sollte ein erwachsener Mensch maximal 6 bis 9 Teelöffel Zucker zu sich nehmen. Bei Europäern sind es im Schnitt 17 Löffel, bei Amerikanern sogar 19,5 Löffel, die täglich verzehrt werden. Für Damon Gameau, der in seinem Film „Voll verzuckert – That Sugar Film“ ein Zuckerexperiment gewagt hat, war es schwierig, während seiner Amerikareise unter 40 Teelöffeln Zucker am Tag zu bleiben, wobei er ihn dort größtenteils als hochkonzentrierten Maissirup zu sich nahm. 

Wir sind umgeben von schlechtem Essen, essen mehr als früher. Die Portionen in den großen Fastfoodketten haben sich vergrößert, was bedeutet, dass man seinem Körper pro Mahlzeit mehr Kalorien und mehr Zucker zuführt. Selbstverständlich wird die Portion aufgegessen, denn sie ist ja bezahlt. 

Im Kino nimmt ein Durchschnittsamerikaner 20 Prozent mehr Kalorien zu sich, als er es über den Tag verteilt tun sollte. Wenn es schlecht läuft, sucht er im Anschluss noch eine Fastfoodkette auf – denn er hat nebenbei gegessen, sodass das Gehirn eventuell nicht registriert hat, dass er überhaupt Nahrung zu sich nahm. Aber auch in Restaurants gibt es die Tendenz, mehr zu essen. Nicht Wenige beurteilen ein Restaurant als gut, wenn der Teller voll ist. 

Kinder im Kino mit Popcorn
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Wir essen nicht nur deutlich mehr Süßigkeiten als früher, auch der Anteil von zuckerhaltigen Getränken in unserer Ernährung hat seit den 80er Jahren erheblich zugenommen. Hinzu kommen unzählige Lebensmittel, von denen wir gar nicht ahnen, dass sie Zucker enthalten. Wollten wir alle Lebensmittel meiden, die zugesetzten Zucker enthalten, müssten wir 80 Prozent des Angebots in Supermärkten links liegen lassen.

Das zahnlose Kentucky 
Im Film „Voll verzuckert“ fährt der Regisseur Damon Gameau nach Kentucky, wo ein koffeinhaltiges und stark gesüßtes Getränk hergestellt wird und dort auch sehr beliebt ist – und dabei enthält es noch mehr Zucker als Cola, nämlich ganze 44 Gramm pro Dose. Gameau berichtet darüber, dass die Einwohner von Kentucky Zahnprobleme haben. Er interviewt einen 17-jährigen Jungen, der 12 Dosen des Getränks täglich trinkt und davon erzählt, das sei in der Gegend so üblich. Sein 3-jähriger Cousin bekommt das Getränk in sein Fläschchen gefüllt; so kommt das Kleinkind auf 6 bis 7 Dosen am Tag. Dem jungen Interviewpartner müssen wegen seines immensen Zuckerkonsums alle Zähne gezogen werden, was seiner Begeisterung für den Softdrink keinen Abbruch tut. Er hat vor, ihn weiterzutrinken – ihm schmeckts einfach.

Diese Entwicklung hat zum einen Auswirkungen auf die Ästhetik: Die meisten Amerikaner gelten mittlerweile als fettleibig. In Deutschland leidet mehr als jeder Zweite an Übergewicht, jeder Vierte an Adipositas. Bereits 15 Prozent der Kinder gelten als zu dick, 6 Prozent sogar als fettleibig. Der Anteil der übergewichtigen Kinder ist in den letzten dreißig, vierzig Jahren um 50 Prozent angestiegen. In Amerika sind mehr 2- bis 5-Jährige adipös, als es früher der Fall war.

Zuckerwürfel als Mahlzeit
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Selbst in Asien (und dort sogar in Indien) und auf dem afrikanischen Kontinent hat der Anteil der fettleibigen Kinder zugenommen. Weltweit gibt es 30 Prozent mehr dicke Menschen als unterernährte. Die Spitzenreiter im Hinblick auf Übergewicht und Fettleibigkeit bilden Mexiko, Chile und die USA mit über 70 Prozent, es folgen viele europäische Länder sowie Australien und Neuseeland. Deutschland liegt bei 60 Prozent. Die Fettleibigkeit betrifft vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten.

Im „Sugar Film“ werden unter anderem die Ureinwohner Australiens porträtiert, die sich traditionell sehr zuckerarm ernährt haben – bis die Zivilisation sie erreichte. Ab dem Zeitpunkt wurden viele der Aborigines krank. Die Gemeinde Amata wollte etwas dagegen tun und hat die Initiative „Mai Wiru“ gegründet, die sich an Ratschlägen eines Ernährungsberaters orientierte. Die Einwohner der Gemeinde aßen von da an überwiegend zuckerfrei. Leider wurden irgendwann die staatlichen Mittel gestrichen; die Bewohner erkrankten wieder: an Diabetes und Nierenversagen. Sie mussten zur Dialyse. Viele starben, darunter nicht wenige unter 40-Jährige. 

Der Neuroendokrinologe und Kinderarzt Robert Lustig spricht in seinem Buch „Fat Chance“ (deutsche Ausgabe: „Die bittere Wahrheit über Zucker“) aus dem Jahr 2013 bereits von einer Pandemie der Fettleibigkeit. Auch die Weltgesundheitsorganisation warnt vor einer weltweiten Epidemie der Fettleibigkeit. Lustigs Prognose nach werden diejenigen, die 2013 Kinder waren, die erste Generation sein, die eine niedrigere Lebenserwartung hat als die Generation davor.

Wissenschaftler der Universität San Francisco haben geschätzt, dass Zucker weltweit zu 35 Millionen Todesfällen infolge chronischer Krankheiten jährlich beiträgt; das wäre ein Toter pro Sekunde. Selbst in der Dritten Welt haben Zivilisationskrankheiten stark zugenommen und sind dort mittlerweile weiter verbreitet als Infektionskrankheiten. Allein in Deutschland wird täglich mehr als 1000 Menschen mitgeteilt, dass sie an Typ-2-Diabetes leiden. 

Der ernährungstechnische Abstieg von Okinawa 
Es ist bekannt, dass die Bewohner von Okinawa besonders alt werden. Oder vielmehr: wurden. Mittlerweile haben westliche Ernährungsgewohnheiten die Insel erreicht. Viele Einwohner haben sich traditionellerweise von reichlich Gemüse, Fisch und magerem Fleisch ernährt, daher kamen die meisten Zivilisationskrankheiten dort so gut wie nicht vor. Weil die jüngere Generation nun nach westlichem Vorbild isst, werden die Bewohner von Okinawa mittlerweile dicker als die übrigen Japaner. 

Selbst wenn wir persönlich nicht an Diabetes leiden oder übergewichtig sind, betrifft uns das Thema dennoch. Fettleibige Personen verursachen Kosten, die vom Staat getragen werden, also letztendlich vom Steuerzahler. Foodwatch zufolge betragen die durch Adipositas verursachten Folgekosten in Deutschland 63 Milliarden Euro im Jahr. Es ist aber nicht allein ein finanzielles Problem: Für die Zukunft unserer Gesellschaft ist es auch wichtig, dass sie möglichst gesund ist. Denn gesunde Menschen sind innovativer und insgesamt leistungsfähiger, kranke hingegen scheiden tendenziell früher aus dem Arbeitsleben aus. 

Zucker als Kulturgut

Vor Zucker gibt es kein Entrinnen, schon vom ersten Geburtstag an. Es gibt kaum eine Feier, auf der kein Zucker konsumiert wird: ob auf dem Kindergeburtstag, bei der Hochzeitsfeier mit der obligatorischen Hochzeitstorte, als Geschenk zum Muttertag, Gastgeschenk bei Besuchen oder auf dem Süßigkeitentisch am Arbeitsplatz: Zuckerhaltige Produkte sind allgegenwärtig. Da muss man schon einen starken Willen haben, um zu widerstehen. Viele haben den nicht – dies hat Gründe, auf die wir später kommen. Es gibt kaum jemandem, der sich einen kompletten Zuckerverzicht vorstellen kann. 

Geburtstagsberliner
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Wie ist das mit dir? Könntest du dir vorstellen, weitestgehend auf Zucker zu verzichten?

Die Situation war vor 200 Jahren noch eine andere. Damals gab es keine einzige Gesellschaft, in der auf Feiern überwiegend zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke serviert worden wären. Was noch schlimmer ist: Mittlerweile drücken wir mit Süßigkeiten unsere Liebe aus, angestiftet durch die uns täglich umgebende Werbung. Es ist viel einfacher, der Liebsten oder dem eigenen Kind eine Schachtel Pralinen in die Hand zu drücken, als sich vielleicht zu einem „Ich hab dich lieb“ zu überwinden. Das Erstaunliche dabei: Unser Gehirn reagiert auf diese Liebesbekundung genau so, wie es auf Zeichen von echter Zuneigung reagieren würde: Glückshormone werden ausgeschüttet, uns geht es gut. Deshalb greifen viele einsame Menschen auch gern zu Schokolade – sie verspricht vorübergehend Linderung.

Mehr als 15 Teelöffel Zucker am Tag

Kleine Kinder müssen sich an Lebensmittel erst einmal gewöhnen. Robert Lustig berichtet darüber, dass wir Kindern jedes Lebensmittel 13 Mal zum Essen vorsetzen müssen, bis es sich daran gewöhnt hat. Bei süßen Lebensmitteln allerdings genügt ein einziges Mal. Deshalb wird den meisten Lebensmitteln für Kinder Zucker zugesetzt, auch vermeintlich gesunden Gemüsegerichten.

Gezuckertes Gemüse 
Gibt eine Mutter ihrem Kind ein industriell hergestelltes Gemüseprodukt zu essen, wird das Kind es sehr wahrscheinlich annehmen, weil es gesüßt ist. Die Folge: Die Mutter ist glücklich, denn ihr Sprössling akzeptiert nun endlich auch Gemüse. Sie wird das gesüßte Produkt genau dieses Herstellers von nun an immer wieder kaufen, damit ihr Kind an seine Ration Gemüse kommt.

Gemüse ist bei Kindern nicht sehr beliebt, weil es von Natur aus keinen Zucker enthält. Wir Eltern geben oft zu früh auf, unsere Kinder an seinen Geschmack zu gewöhnen. Die Folge: Sie ernähren sich unausgewogen, essen stattdessen viele Süßigkeiten, fetthaltige Snacks, Fleischprodukte und trinken dazu Softdrinks. 

Selbstverständlich gibt es Eltern, die darauf achten, dass ihre Kinder nicht so oft naschen. Sie sind erleichtert, wenn die Kleinen zum Frühstück beispielsweise Cerealien essen. Leider sind diese nicht so gesund, wie man glauben mag, denn sie enthalten jede Menge Zucker. Foodwatch berichtet davon, dass 90 Prozent der Cerealien für Kinder eindeutig zu süß sind und nicht den Empfehlungen der WHO entsprechen. In vielen Ländern gehören sie zu den Lebensmitteln mit dem höchsten Zuckergehalt. Foodwatch spricht davon, dass 90 Prozent der Lebensmittel und Getränke, deren Zielgruppe Kinder sind, zu viel Fett, Salz und Zucker enthalten. Nicht einmal Produkte für die ganz Kleinen sind frei von Zucker.

Hättest du es gewusst? 
Der gerade bei Kindern beliebte Schokoladen-Frühstücksaufstrich enthält sage und schreibe 56 Gramm Zucker pro 100 Gramm Kakaomasse. Mehr als die Hälfte des Glases ist mit Zucker gefüllt.

In Amerika essen Kinder morgens oft Pop-Tarts: ein süßes Teiggebäck mit Zuckerglasur und einer süßen Füllung, das im Toaster zubereitet wird. Dazu gibt es vielleicht einen Joghurt. Wobei auch die (Frucht-)Joghurts in Deutschland eher als Süßigkeit anzusehen sind denn als gesunde Zwischenmahlzeit. Manche enthalten sogar mehr Zucker als Cola und decken damit den Tagesbedarf eines Kindes. 

Pop Tarts
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Insgesamt essen Kinder mehr als 15 oder sogar 20 Teelöffel zugesetzten Zucker täglich, wobei es nicht mehr als 3 bis 4 sein sollten. Sie nehmen also die 4- bis 5-fache Zuckermenge zu sich – oft über versteckte Wege, wie wir später sehen werden. 

Der Schein kann trügen 
Manche Kinder sehen dünn und gesund aus, sind in ihrem Inneren aber in Folge eines erhöhten Zuckerkonsums eher krank. Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: TOFI („thin outside, fat inside“), zu Deutsch „Außen dünn, innen fett“. 40 Prozent der normalgewichtigen Menschen zeigen dieselben Krankheitssymptome wie die fettleibige Bevölkerungsgruppe.

Typ-2-Diabetes, Depression, Fettleber

Doch allein mit dem Frühstück ist es nicht getan: Viele Kinder essen zwischendurch Snacks, Süßigkeiten, zu Mittag stark kohlenhydrathaltige Speisen, dazu Nachtisch. Das alles lässt den Blutzuckerspiegel kurzfristig ansteigen. Es kommt zu einem „Zucker-High“: Die Kinder sind gut drauf, teilweise überdreht – bis als Folge der hohen Zuckerkonzentration im Blut Insulin ausgeschüttet wird, das für einen Abbau des Zuckers sorgt. Die Laune der Kinder sinkt zusammen mit dem Blutzuckerspiegel; sie reagieren gereizt, trotzig, werden müde, quengelig – bis zu dem Augenblick, in dem sie wieder etwas Zuckerhaltiges zu sich nehmen. Dann nämlich beginnt der Prozess von vorn. So fahren die Kinder in puncto Ernährung den gesamten Tag über Achterbahn; es kommt zu Stimmungsschwankungen und Launen. Dieser Prozess, der sich täglich mehrmals wiederholt, hat nicht nur Auswirkungen auf das Verhalten der Kinder, sondern auch auf ihre Hirnfunktion und damit auf die Lernleistung. Zudem wird ein erhöhter Zuckerkonsum mit ADHS in Zusammenhang gebracht.

Schlauer ohne Softdrinks 
In einer Untersuchung aus Kalifornien konnte gezeigt werden, dass sich der Notendurchschnitt an Schulen anhob, wenn Getränkeautomaten mit zuckerhaltigen Softdrinks von dort verschwanden.

Während Typ-2-Diabetes lange Zeit als „Krankheit der alten Leute“ angesehen wurde, ist es heutzutage nicht selten, dass auch Kinder daran erkranken. Dies hängt laut dem Endokrinologen Robert Lustig mit einem erhöhten Zuckerkonsum zusammen. Die Ernährungsberaterin Kamila Banel berichtet davon, dass manche Kinder den Cholesterinspiegel eines 60-jährigen Mannes haben, so als hätten sie jahrelang einen ungesunden Lebenswandel gepflegt. In amerikanischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass 10-jährige adipöse Kinder bereits ein Gefäßsystem haben, wie es bei Mittvierzigern vorzufinden ist.

Kinderbäuche mit gesundem und ungesundem Essen
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Zudem begegnen Kamila Banel auch Kinder, die bereits im Alter von 11 Jahren an einer Fettleber leiden, einer Krankheit, die üblicherweise auf einen erhöhten Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Fügen wir unserem Körper über längere Zeiträume zu viel Zucker zu, belasten wir damit nicht nur unsere Bauchspeicheldrüse, sondern auch unsere Leber. Denn Zucker wird in der Leber genauso verstoffwechselt wie Alkohol. Der überschüssige Zucker wird von der Leber als Fett gespeichert – und dies zieht irgendwann dramatische Konsequenzen nach sich. Fettleber, die ohne Alkoholeinfluss entsteht, kannte man in den achtziger Jahren noch nicht. Sie ist eine Vorstufe zur Insulinresistenz, die wiederum zu Diabetes führt.

Kompletter Zuckerverzicht? 
Man hört es immer wieder: Unser Körper braucht Zucker. Ja, das stimmt, das Gehirn benötigt tatsächlich 120 Gramm Glukose täglich, um zu funktionieren, und kann diese durch nichts anderes ersetzen. Sinkt der Blutzuckerspiegel zu stark, kommt es zu Problemen des zentralen Nervensystems. Man bekommt Kopfschmerzen, Sehstörungen, zittrige Hände, Schweißausbrüche, einem ist schwindelig. Allerdings enthalten viele Nahrungsmittel von Natur aus Zucker, ob Milch, Früchte oder kohlenhydrathaltige Speisen, womit unser Bedarf mehr als gedeckt ist.

Dass ein hoher Zuckerkonsum zu Karies führen kann, ist bekannt. Kinder, die häufig süß essen, bekommen zudem Blähungen, weil der Zucker im Darm gärt. Eine gestörte Darmflora kann auch in Verbindung mit Depressionen stehen. Diese psychische Erkrankung ist mittlerweile auch unter Kindern anzutreffen. Weil dicke Kinder unter ihrer Körperfülle leiden, haben sie zudem ein geringeres Selbstbewusstsein. Nicht zuletzt schlafen Kinder, die viel Süßes essen, schlechter ein. Jungen oder Männern können durch den gestörten Hormonhaushalt zudem Brüste wachsen. 

Lieber einen dicken Hintern als einen dicken Bauch 
Überschüssige Energie, also die Kalorien, die der Körper nicht braucht, werden in Form von Fett gespeichert. Dies diente in früheren Zeiten, in denen es noch keine Supermärkte gab, als Fettreserve für schlechte Zeiten – Hungersnöte kamen gar nicht so selten vor. Im Körper haben wir drei Stellen, an denen Fett gespeichert werden kann: Zuerst wird das überschüssige Fett unter der Haut als subkutanes Fett eingelagert, was viele Menschen stört, gesundheitlich bis zu einem gewissen Grad aber unbedenklich ist. Schlimmer ist es mit dem zweiten Fettdepot, dem Bauch. Dieses Fett hängt nicht unbedingt damit zusammen, was man isst. Das sogenannte viszerale Fett steht in Zusammenhang mit einer erhöhten Cortisolausschüttung – Cortisol wird bei Stress ausgeschüttet. Leider haben auch unsere Kinder mittlerweile Stress, ob durch Mobbing in der Schule, durch wiederkehrende Lockdowns, Angstszenarien oder Armut im Elternhaus. Die Entzündungsstoffe, die durch das viszerale Fett gebildet werden, gelangen direkt in die Leber. Die bildet auch das dritte, am meisten verheerende Fettdepot. Während der Körper 10 bis 20 Kilogramm überschüssiges subkutanes Fett gut verträgt, sind es beim Leberfett nur 300 Gramm.

Fettleibigkeit ist an sich keine Krankheit, sondern vielmehr ein Symptom für ungute Vorgänge in unserem Körper. Die Spätfolgen eines erhöhten Zuckerkonsums über viele Jahre sind Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenschäden. Die Immunabwehr ist geschwächt. Ein hoher Zuckerkonsum begünstigt das Krebswachstum, denn Krebszellen benötigen Zucker, um zu wachsen. Hinzu kommen Probleme mit den Augen, mit den Gelenken und irgendwann die Impotenz, verursacht durch eine Gefäßverengung.

Wer denkt, dass dies Kinder nicht betrifft, hat zwar Recht. Bloß kommen Kinder, die schon sehr früh zu viel Gewicht haben, kaum davon weg. Meist verschlimmert sich der Zustand mit zunehmendem Alter. 

Glas mit Zucker
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Alles in allem stellt der Kinder-Endokrinologe Robert Lustig fest, dass Zucker eindeutig toxisch ist, sobald er zu häufig genossen wird. Und das ist, wie wir gesehen haben, bei vielen Menschen der Fall. Prof. Vicenzo Castronovo von der Universität Lüttich bezeichnet in einem seiner Vorträge den Zucker sogar als Serienkiller, weil viele Menschen an den Folgen eines erhöhten Zuckerkonsums tatsächlich sterben.

BMI – mit Vorsicht zu genießen 
Während bei Erwachsenen ein BMI bis 25 noch für ein Normalgewicht steht, wird der Wert bei Kindern als BMI-Percentil angegeben, das unter 90 liegen sollte.  
Doch sind diese beiden Werte überhaupt aussagekräftig? Leider nicht immer. Muskeln sind bekanntlich schwerer als Fett. Deshalb kann ein Erwachsener oder ein Kind mit einer hohen Muskelmasse einen BMI haben, der deutlich über der Empfehlung liegt, trotzdem aber kerngesund sein. Wiederum gibt es aber auch Personen, die schlank erscheinen, aber viel Fett und wenig Muskelmasse haben, und trotzdem noch im grünen BMI-Bereich liegen.   

Versteckter Zucker

Für dieses Kapitel musst du ganz stark sein, denn du wirst hier erfahren, wo sich überall Zucker versteckt. Viele Gerichte, die – zu Hause zubereitet – gar keinen Zucker benötigen, weisen in der Supermarkt-Variante doch welchen auf. Gehen wir mal die Regale durch: Sehen wir auf das Etikett von abgepackten Nahrungsmitteln, entdecken wir in so gut wie jedem von ihnen Zucker.

Fertiggerichte

Das Problem mit dem Zucker ist vor allem, dass er sich in Produkten versteckt, in denen wir ihn nicht erwarten. Hier eine kleine Auswahl an Lebensmitteln, die Zucker enthalten: Salatdressings, Saucen (auch Ketchup und Mayonnaise), Gewürzgurken, Krautsalat, Rotkohl, Kochschinken, Fertiglasagne, Fruchtjoghurts, Balsamicoessig, Crackers. Selbst Vollkornbrot enthält Zucker – schau mal hinten auf die Verpackung! Auch in einer großen Schale Tütensuppe stecken gleich 4 Würfel Zucker. Alles in allem enthält jedes Produkt für sich vielleicht eine geringe Menge davon, da wir aber über den Tag verteilt verschiedene dieser Lebensmittel essen, sammelt sich in der Summe viel an.

Fastfood

In einem Burger mit Pommes steckt doch kein Zucker? Denkste! Fastfood ist voll von verstecktem Zucker. Gerade deshalb schmeckt es so gut. Ein mittelgroßer Burger mit einer großen Portion Pommes enthält 19 Teelöffel Zucker. Wir haben selbst gestaunt, als wir das recherchiert haben. Das ist doppelt so viel, wie beispielsweise die American Heart Association empfiehlt – wohlgemerkt über den Tag verteilt. Eine Nachspeise aus Eis in einer großen Fastfoodkette, die als Snack zwischendurch angepriesen wird, enthält beispielsweise 15 Teelöffel Zucker.

Wohl bekommts!

Fastfood
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Softdrinks

Dass Colagetränke nicht gerade gesund und für Kinder wegen ihres Koffeingehalts nicht zu empfehlen sind, ist bekannt. Doch wusstest du, dass eine 1,5-Liter-Flasche Cola gleich 54 Stück Zucker enthält? 

Da staunst du, was? Wir ehrlich gesagt auch. 

Ein beliebter Softdrink aus dem Alupack, der mit den leckeren Früchten oder lustigen Tieren auf der Tüte, in den du vielleicht schon als Kind gern den Strohhalm reingesteckt hast, enthält mehr als 5 Stück Zucker – pro Beutel, das heißt auf 200 Milliliter. 

In einem Glas Eistee wiederum stecken mehr als 4 Stück Zucker. 

Wir sind erschlagen. 

Und dabei haben wir in Deutschland noch Glück: Damon Gameau spricht von 9 Stück Zucker pro Glas Eistee in Australien.

Hättest du es gewusst? 
Der australische Erwachsene nimmt täglich 40 Teelöffel Zucker zu sich, zu einem großen Teil über Getränke.

Manche Schulen in Amerika wollten es richtig machen: Sie haben Limonaden verbannt – und diese durch Sport- und Energydrinks ersetzt. Leider sind diese noch zuckerhaltiger. Wir haben mal nachgeschaut: Eine kleine Dose eines in Deutschland weit verbreiteten Energydrinks enthält mehr als 9 Stück Würfelzucker – vermutlich, um den hohen Koffeingehalt zu überdecken.

Fruchtsaft

Saft hat ein gutes Image, weil damit jeder etwas Gesundes assoziiert. Zum einen durch den Vitamingehalt, zum anderen weil Saft aus Früchten gewonnen wird. Was gibt es gesünderes als Früchte?

Damit ein Fruchtsaft sich „Fruchtsaft“ nennen darf, muss er zu 100 Prozent aus Früchten bestehen und darf keinen Zucker enthalten. Beim „Fruchtnektar“ ist das nicht mehr so und sogenannte „Fruchtsaftgetränke“ enthalten nur noch wenig Frucht – und dafür jede Menge Zucker. Für Smoothies gibt es keine genauen Vorgaben, deshalb enthalten viele von ihnen viel Zucker und wenig Frucht. In Obstsmoothies steckt teilweise genauso viel Zucker wie in Cola.

Ödes Essen 
Wieso ist gerade der zugesetzte Zucker für Kinder problematisch? Essen sie täglich gesüßte Speisen, haben sie irgendwann die Erwartung, dass jedes Lebensmittel süß sein muss. Andernfalls schmeckt es ihnen nicht. Setzen Eltern dem Kind zu Hause nun einen Brokkoli vor, der Bitterstoffe enthält und kein bisschen süß ist, weigert sich das Kind, diesen zu essen. Ein echtes Problem für Eltern.

Doch wie gesund ist nun Fruchtsaft? Oder ein selbstgemachter Smoothie? In vielen Gesundheitsrichtlinien wird das Trinken von Saft empfohlen, selbst Hilfsorganisationen in Amerika verteilen Saft an die Armen. Dann muss er doch gesund sein!

Der Kinder-Endokrinologe Dr. Robert Lustig und Dr. Praveen Sundaraj Goday, Kinder-Gastroenterologe vom Children’s Hospital of Wisconsin, sprechen sich ganz klar gegen Saft aus und sagen: Lieber die Frucht essen, statt den Saft zu trinken. Zwar enthält Obst ebenfalls Zucker, und zwar den natürlichen Fruchtzucker, aber das Volumen der Frucht und die darin enthaltenen Ballaststoffe machen uns schon beim Essen satt, sodass wir nicht unendlich viel davon verzehren können. 

Verschiedenes Obst
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Das ist bei Saft nicht der Fall: Wir fühlen uns nicht satt, auch wenn wir gerade zwei Orangen und zwei Äpfel hinuntergestürzt haben. Die Leber wird dafür mit Zucker überschwemmt. Der Biochemiker von der kalifornischen Touro University Jean-Marc Schwarz spricht in diesem Zusammenhang von einem Tsunami-Effekt. Zudem ist es so, dass Kinder ihren Saft oft vor dem Essen trinken. Das treibt ihren Blutzuckerspiegel bereits vor der Mahlzeit enorm nach oben und sorgt dafür, dass die Kalorien als Fett gespeichert werden.

Dann lieber doch Zuckeraustauschstoffe? 
Leider nein. Robert Lustig gibt zwar zu, dass eine Diätcola nur halb so toxisch sei wie eine normale Cola. Da sie aber keinen Zucker enthält, werden Verbraucher dazu verführt, deutlich mehr davon zu trinken. Auch wenn Süßungsmittel keine Fruktose enthalten, verändern sie unser Mikrobiom (unsere Darmflora). Dies kann zum Reizdarmsyndrom oder zum sogenannten Leaky Gut (deutsch „durchlässiger Darm“) führen. Beim Leaky Gut ist die Barrierefunktion im Dünndarm gestört, sodass unverdaute Partikel aus dem Darm in die Blutbahn gelangen. Als Folge kommt es zu Allergien und Autoimmunerkrankungen – und zu einer starken Müdigkeit direkt nach dem Essen. Zudem führen Getränke mit künstlichen Süßstoffen laut Dr. Praveen Sundaraj Goday zu einer Insulinresistenz. Und sie verstärken unseren Heißhunger auf Süßes.

Verwirrende Kennzeichnung

Doch selbst wer fest entschlossen ist, jeglichen überflüssigen Zucker zu vermeiden, hat es nicht leicht. Die Nährwertkennzeichnung in Deutschland ist mehr als kompliziert, weshalb man den Zucker nicht gleich entdeckt. Er versteckt sich unter Bezeichnungen wie Saccharose (Haushaltszucker), Fruktose (Fruchtzucker), Agavendicksaft, Glukosesirup, Glukose-Fruktose-Sirup, Laktose (natürlicher Milchzucker) und Honig (der zu einem hohen Prozentanteil aus Zucker besteht). Oft werden verschiedene Süßungsmittel nebeneinander verwendet, damit sie bei den Inhaltsstoffen als Einzelne keinen so großen Anteil annehmen und auf dem Etikett nach unten rutschen.

Zuckeraustauschstoffe sind süß und kalorienhaltig, müssen auf dem Etikett jedoch nicht als Zucker deklariert werden, sondern als Kohlenhydrate. Zu den Zuckeraustauschstoffen zählen Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit, Lactit, Xylit und Polyglycitolsirup.

Die Verbraucherzentrale berichtet ebenfalls von gezielten Verbrauchertäuschungen: Da gibt es Cappuccinos, die auf der Verpackung als „weniger süß“ angepriesen werden, aber nur unbedeutend weniger Zucker enthalten. Ein anderer Hersteller ist da konkreter: „30 Prozent weniger Zucker“ steht auf der Verpackung. Verschwiegen wird jedoch, dass in dem kakaohaltigen Getränk Maltodextrin steckt, das genauso viele Kalorien hat wie der gewöhnliche Zucker. Die Täuschung besteht in beiden Fällen darin, dass die Käufer eigentlich weniger Kalorien erwartet hatten.

„Darf ich nun gar nichts mehr essen?“ 
… wirst du dich vielleicht fragen. So ist es zum Glück nicht. Wir zeigen dir am Ende des Artikels Möglichkeiten auf, wie du dich ganz einfach zuckerarm ernähren kannst – ohne an Geschmack einzubüßen.

Warum so viel Zucker?

Der SWR zeigt in seinem Beitrag „Die Tricks der Zuckerindustrie“, dass 80 Prozent des Zuckers, den ein bekannter deutscher Zuckerhersteller produziert, nicht im Handel landen, sondern in der Lebensmittelproduktion. Warum sind Lebensmittel voll davon? Nun, Zucker ist schmackhaft, selbst ein mittelmäßiges Essen kann damit deutlich an Geschmack gewinnen. Zucker ist ein natürlicher Geschmacksverstärker, mit dem alles genießbar wird.

Er ist auch ein guter Konservierungsstoff, der Lebensmittel haltbarer macht. Ketchup beispielsweise, der viel Zucker enthält, benötigt keine Konservierungsmittel und keine modifizierte Stärke. Lebensmittel, denen Zucker hinzugefügt wurde, halten länger, weil sie nicht so schnell von Bakterien zersetzt werden. Aber genau das ist der Grund, warum wir auf diese Lebensmittel verzichten sollten, meint Robert Lustig. Denn so können die Bakterien in unserem Darm sie ebenfalls nicht gut zersetzen.

Verschiedene Zuckersorten
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Zucker ist billig, weil Zuckerrüben, aus denen er in Europa überwiegend hergestellt wird, es auch sind. Das Nahrungsmittel ist zehnmal billiger als Kaffee und auch deutlich billiger als die meisten anderen Bestandteile von Lebensmitteln. Enthält ein Produkt viel Zucker, kann der Hersteller damit die teuren Bestandteile teilweise einsparen – und seine Rendite steigern. Diese könnte er beim Handel mit Obst und Gemüse beispielsweise so gar nicht erreichen. Damit ist Zucker ein billiger Füllstoff. Die Sendung „frontal“ bezeichnet ihn sogar als Wunderwaffe der Lebensmittelindustrie. 

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir als Verbraucher mit unserem Kaufverhalten indirekt ebenfalls mitbestimmen, wie viel Zucker ein Produkt enthält. Heutzutage läuft der Verkauf von Ware über den Preis. Ist sie billig – oder zumindest billiger als die der Konkurrenz – wird sie gekauft. Deshalb ist die Industrie zu einem Teil gezwungen, mehr Zucker zu verwenden, um beim Preiskampf mitzuhalten. 

Süß, süßer, Sweet Spot

In den 70er Jahren hat Howard Moskowitz den Glückspunkt (engl. „sweet spot“) entdeckt: Je mehr Zucker in einem Produkt enthalten ist, desto beliebter ist es beim Käufer. Doch das lässt sich nicht unendlich fortführen; es gibt eine Grenze. Geht man mit dem Zuckergehalt darüber hinaus, gewinnt das Lebensmittel nichts mehr hinzu – ganz im Gegenteil. Unternehmen haben schon immer dazu geforscht, wie sie eine maximale Akzeptanz der von ihnen angebotenen Produkte erreichen können. Als der Glückspunkt, also der optimale Grad der Süße, erkannt wurde, verkauften sich ihre Produkte deutlich besser. Diesen Punkt gibt es bei fast allen Lebensmitteln, ob nun bei der Fertigsauce, bei den Frühstückscerealien oder bei Softdrinks. 

Hättest du es gewusst? 
Industriell hergestellte Kuchen, Plätzchen und Torten enthalten deutlich mehr Zucker als vergleichbare, die man zu Hause backen würde.

Eine Kalorie ist eine Kalorie – oder etwa nicht?

Wir bewegen uns zu wenig und essen zu viel, deshalb werden wir dick – heißt es immer wieder. Das stimmt zwar, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Denn dann wäre die Lösung, sich zusammenzureißen und weniger zu essen. Die Rechnung scheint einfach: weniger Kalorien zu sich nehmen, als man verbraucht, und Sport treiben. Erstaunlicherweise schaffen das immer weniger Menschen. Sind sie alle undiszipliniert und faul? Dieser Eindruck wird von vielen Seiten vermittelt. Übergewichtige sehen sich deshalb auch oftmals als Täter, die ihren Appetit nicht im Zaum halten können – und nicht als Opfer, wie Robert Lustig sie sieht. Als Endokrinologe hat er viele Fälle von Fettsucht bei Jugendlichen, kleinen Kindern und sogar Säuglingen beobachtet, die nichts mit der eigenen Willensentscheidung zu tun haben können. In seinem Buch „Fat Chance“ spricht er zum Beispiel von einem sechs Monate alten Baby, das bereits mit einem erhöhten Gewicht auf die Welt kam, danach einen großen Appetit an den Tag legte und im Alter von einem Jahr hohe Cholesterinwerte und einen erhöhten Blutdruck aufwies. Er weist nach, dass Fettverbrennungsprozesse nicht unserem freien Willen unterliegen. Denn es ist die Biochemie, die unser Verhalten bestimmt.

Brokkoli als Hantel
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Was ist schwerer – ein Kilo Zucker oder ein Kilo Fett? 
Nein, mal im Ernst: Der australische Filmemacher Damon Gameau hat einen Selbstversuch unternommen, um nachzuweisen, dass Zucker nicht nur ungesund ist. Sondern dass eine Kalorie Zucker eben nicht, wie behauptet, einer Kalorie aus einem Brokkoli entspricht. Er hat – wie der Durchschnittsaustralier – 60 Tage lang 40 Teelöffel Zucker täglich über die „normale“ Ernährung aufgenommen. Während des Experiments hat er in etwa dieselbe Kalorienmenge zu sich genommen wie in seinem bisherigen Leben, nur dass die Kalorien einen anderen Ursprung hatten. In jener Zeit fühlte er sich oftmals nicht satt.  
Und die Ergebnisse seines ungewöhnlichen Selbstversuchs? Er bekam einen dicken Bauch, nahm in der kurzen Zeit 8,5 Kilogramm zu und hatte 4 Prozent mehr Körperfett. Seine Triglyceridwerte (die im Blut messbaren Fette) sind gestiegen. Im Anschluss an das Experiment hatte er Schwierigkeiten, wieder zu seinen ursprünglichen Ernährungsgewohnheiten zurückzukehren, weil sein Körper sich bereits in der kurzen Zeit an die stete Zuckerzufuhr gewöhnt hatte.  
Sein Fazit: Die bisherige Methode der Kalorienzählung muss wohl neu gedacht werden, denn offenbar ist es nicht nur wichtig, wie viele Kalorien wir zu uns nehmen, sondern vielmehr, woher sie stammen.

Durch Fett wird man fett – oder?

Ab den 80er Jahren hörte man von überall her, Fett sei verantwortlich für die zunehmenden Herz-Kreislauf-Probleme weltweit. Es hieß, wer sich gesund ernähren möchte, solle weitestgehend auf Fett verzichten. Diese Empfehlung fand Eingang in internationale Ernährungsrichtlinien. Mittlerweile konnten zwei Wissenschaftler zeigen, dass dies auf einer gezielten Manipulation beruht, die zum Ziel hatte, den Zucker „freizusprechen“. Denn der Lebensmittelindustrie lag und liegt aus den oben genannten Gründen daran, nach wie vor möglichst oft und möglichst viel Zucker zu verwenden. 

Nach Meinung von Ernährungsmediziner Matthias Riedl lässt uns die Aufnahme von gesundem Fett sogar eher länger leben und kann uns sogar beim Abnehmen helfen.

Die Folge dieser gezielten Falschinformation war, dass fettreduzierte Produkte in Mode kamen. Das Problem mit der Fettreduktion bei Light-Produkten ist jedoch, dass diese danach nach kaum etwas schmecken, weil Fett ein Geschmacksträger ist. Die Lösung – und der Schwindel dabei – war, den Lebensmitteln stattdessen jede Menge billigen Zucker zuzusetzen, damit sie überhaupt genießbar wurden. Natürlich waren sie damit alles andere als kalorienarm.

arte/ZDF berichtet in der Reportage „Die große Zuckerlüge“ von einem Ausdauersportler, der wöchentlich 10 Trainingsstunden absolvierte. Zusätzlich zum Training hat er sich gemäß den Ernährungsrichtlinien von Light-Produkten ernährt. Die Folge: Trotz seiner vielen Trainingseinheiten bekam er von seinem Arzt den Befund „Prädiabetes“. Auch dieses Beispiel zeigt, dass sportliche Betätigung nicht alles ist.

Zusätzlich wurden Studien zur Harmlosigkeit von Zucker veröffentlicht, um kritische Verbraucher zu beruhigen. Nach wie vor wird der Zusammenhang von Zucker und vielen tödlichen Krankheiten abgestritten. In der Dokumentation „Die große Zuckerlüge“ aus dem Jahr 2015 wird der heutig Kampf gegen die Zuckerindustrie mit jenem mit der Tabakindustrie einige Jahre zuvor verglichen. Damals hat man ebenfalls Wissenschaftler zu Rate gezogen, um zu beweisen, dass Tabak gar nicht so schädlich sei. In den Medien waren rauchende Ärzte präsent. Bis heute ist nicht erwiesen, dass Rauchen zu Lungenkrebs führt – wie es auch nicht bewiesen ist, dass ein erhöhter Zuckerkonsum mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang steht. Solche Studien wären unethisch, weil sie die Probanden über Jahre einer unnötigen Gefahr aussetzen würden. Beide Industriezweige, die Zuckerindustrie und die Tabakindustrie – nutzen dieselben Mechanismen. Gegner, wie im Fall vom Zucker Robert Lustig, werden als fanatische Scharlatane diskreditiert.

Nach wie vor wird von offiziellen Stellen der Zusammenhang von Zucker und Typ-2-Diabetes geleugnet. Stattdessen ist von einem verantwortlichen Umgang die Rede. Warum diese Forderung fast schon absurd ist, zeigen wir im Kapitel zur Zuckerabhängigkeit. Die verpflichtende Lebensmittelampel, an der die Verbraucher den Gehalt an Fett, Zucker und anderen Bestandteilen in einem Lebensmittel leicht ablesen könnten, wurde verhindert und bleibt freiwillig – mit verheerenden Folgen für die Konsumenten.

Es gibt keine Blumenkohllobby

Doch warum gibt es so starke Bestrebungen, Zucker als harmlos darzustellen? Würden Gesundheitsorganisationen offiziell feststellen, dass Zucker ungesund ist, griffen sie damit mächtige Interessengruppen an, die von zuckerhaltigen Speisen enorm profitieren. Davor fürchten sich viele Regierungen. Zuckerhaltige Speisen – gerade Süßwaren – sind ein Riesengeschäft. 

Blumenkohl
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Die Sendung „frontal“ spricht im Jahr 2020 davon, dass es im Europäischen Parlament neben 100 Industrielobbyisten nur einen einzigen Verbraucherlobbyisten gibt. Nach Angaben von arte und ZDF wurde die kanadische Adipositas-Konferenz 2013 von einer führenden Fastfood-Kette und einem führenden Softdrinkhersteller gesponsert. Die Folge: Die Sponsoren haben darüber entschieden, welcher Wissenschaftler auf der Konferenz sprechen durften. Beim Vortrag eines der beiden Sponsoren hingegen waren Medien nicht zugelassen.

„Foie gras“, also die Stopfleber, die in Frankreich als Delikatesse gilt, wird so hergestellt, dass man Enten oder Gänsen Unmengen an Zucker zuführt. Der Biochemiker Jean-Marc Schwarz von der Touro University in Kalifornien äußert die Ansicht, dass die amerikanische Lebensmittelindustrie dasselbe mit der Bevölkerung Nordamerikas macht.

arte und ZDF berichteten auch darüber, wie das Logo der „Heart and Stroke Foundation of Canada“ (Herz-und-Schlaganfall-Stiftung Kanada) auf Fruchtgummis prangte, die zu 80 Prozent aus Zucker bestanden. Die Fruchtgummis wurden tatsächlich aus Früchten oder Fruchtsaft hergestellt, der Fruchtanteil jedoch war minimal. Das Verheerende bei so etwas ist nicht nur, dass gerade Kinder die Zielgruppe solcher Süßigkeiten sind, sondern dass Eltern beim Kauf ein gutes Gewissen haben, weil das Logo einer Gesundheitsorganisation auf der Verpackung prangt. 

Wobei dies natürlich nicht nur in Kanada passiert. In Frankreich findet Jahr für Jahr die „Semaine du goût“ (Woche des Geschmacks) statt. In dieser Woche finden viele Workshops für Kinder statt, in denen gesundes Essen im Vordergrund steht; teilweise kommen Köche in die Klassen, um mit den Schülern zu sprechen. In der Sendung „Tout Compte Fait“ des französischen Senders France 2 aus dem Jahr 2018 wird darüber berichtet, dass die Industrie selbst hierauf Einfluss nimmt: Im begleitenden Handout für die Lehrerinnen gibt es ein Kapitel zu Zucker als Geschmacksträger. Auf drei Seiten geht es dort um den Zucker, ergänzt wird die Darstellung durch kleine Spiele, mit denen er Kindern nahegebracht wird. Dabei gibt es keine begleitenden Warnhinweise zu einem erhöhten Zuckerkonsum. Die „Semaine du goût“ wurde 1990 von der „Collective du Sucre“ (Zuckerkollektiv) ins Leben gerufen und ist womöglich Lobbyarbeit. 

Auch in Deutschland hatte Foodwatch der ehemaligen Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner eine Nähe zu Lebensmittelunternehmen und -lobbyisten vorgeworfen.

Energie für schwere Zeiten

Dass wir Menschen ein natürliches Verlangen nach Hochkalorischem haben, ist evolutionsbiologisch bedingt. Alles, was viele Kalorien enthielt, wurde verzehrt, um das Überleben in Zeiten von Nahrungsmittelknappheit zu sichern – und das kam gar nicht so selten vor. Süßes war unter solchen Umständen sehr willkommen. Bei allem, was süß ist, konnte sich der Mensch sicher sein, dass es nicht giftig ist. Es gibt so gut wie keine süßen Früchte, die giftig wären. Ist eine Frucht noch nicht reif – und damit potenziell giftig – schmeckt sie bitter. Und wird von Mensch und Tier nicht verzehrt.

Dieser raffinierte Mechanismus, der uns auf das Süße und Fette „eicht“, passt leider nicht zu unserer heutigen Gesellschaft, in der Überfluss herrscht. Denn auch heute „springen wir an“, wenn wir etwas Süßes sehen – der eine mehr, die andere weniger. Wir haben (wenn auch nur unbewusst) gelernt: Süßkram ist nicht nur richtig lecker, sondern tut uns erstmal gut – denk doch mal an deinen Lieblingskuchen bei Sonnenschein in deinem Lieblingscafé, dazu vielleicht einen Latte macchiato … Das macht doch glücklich, oder?

Kind mit Schokolade um den Mund
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Tatsächlich ist das sogar wissenschaftlich erwiesen: Beim Zuckerkonsum oder wenn wir viele Kohlenhydrate zu uns nehmen (die ebenfalls aus unterschiedlichen Zuckermolekülen zusammengesetzt sind), werden Glückshormone freigesetzt. Der Serotoninspiegel steigt. Auch Dopamin wird ausgeschüttet, das eng mit unserem Belohnungssystem zusammenhängt.

Süß, süßer, abhängig

Beim Konsum von Zucker wird das Belohnungssystem aktiviert: Wir belohnen uns und das erzeugt ein gutes Gefühl. Sehen wir nun später eine Süßspeise – oder auch nur ein Bild von ihr –, wird erneut Dopamin ausgeschüttet, was dafür sorgt, dass wir die Süßigkeit haben wollen. Weil wir wissen, dass sie uns (erstmal) guttut. Das Dopamin sorgt auch dafür, dass wir mehr von der Substanz haben möchten. Je mehr wir davon essen, desto stärker steigt unser Verlangen danach. 

Wir gewöhnen uns an das Glücksgefühl und brauchen, um es aufrechtzuerhalten, immer mehr davon. Wir wollen diese Speisen nicht nur, sondern brauchen sie richtiggehend. Zudem haben wir uns auch an einen bestimmten Grad von Süße gewöhnt, die Lebensmittel haben müssen. Haben sie den nicht, schmeckt das Essen fade. Diese Mechanismen wirken in starkem Maße auch bei Kindern, die durch den Verzehr von Süßem auf Süßes programmiert werden.

Dopamin wird übrigens nicht nur beim Essen ausgeschüttet, sondern auch bei der Nutzung von sozialen Medien. Wir gewöhnen uns an Kommentare, Likes, Kurznachrichten und brauchen immer mehr davon, um glücklich zu sein. Deshalb gibt es viele Kinder und Teenager, die jede Menge Zeit in den sozialen Medien verbringen. Die Medien sind bewusst so konzipiert, dass sie ein gewisses Suchtpotenzial entfalten.

Gerade die Kombination aus viel Zucker und hohem Fettgehalt ist besonders abhängigkeitsfördernd. Kommt Koffein hinzu, wie zum Beispiel bei einem Frappuccino oder einer Cola (die auch von Kindern getrunken wird), wird der Effekt noch einmal verstärkt. Prof. Vicenzo Castronovo von der Universität Lüttich spricht davon, dass die Zuckerindustrie uns abhängig macht, damit wir immer mehr von den von ihr hergestellten Lebensmitteln kaufen.

Kokain für die Kleinsten

Der Zucker wirkt auf das Belohnungszentrum ähnlich wie Alkohol, Nikotin oder Kokain. Beim Zucker- und Kokainkonsum werden dieselben Bereiche im Gehirn stimuliert; Dopamin wird ausgeschüttet. Und in allen Fällen hält das „High“, das Hochgefühl, über eine bestimmte Zeit an, danach brauchen wir Nachschub. Der Suchtforscher Prof. Falk Kiefer, der unter anderem Alkohol- und Kokainkranke behandelt und zusätzlich zu Adipositas forscht, sieht im Gehirn ganz klare Parallelen: Werden übergewichtigen Personen Bilder von fett-, aber vor allem zuckerhaltigen Speisen gezeigt, reagiert das Gehirn ähnlich, wie es das bei Alkoholkranken tut, die Partyszenen oder Alkoholwerbung betrachten. 

Legt man Menschen in einen MRT-Scanner, zeigt sich, dass bei denjenigen, die selten Süßes essen, beim Genuss von Eis sofort das Belohnungszentrum aktiviert wird. Bei jenen, die häufig Eis essen, kaum noch. Sie haben sich an den Effekt gewöhnt. Diese Menschen reagieren aber stärker, wenn sie das Bild von Süßigkeiten oder zum Beispiel das einer Eisdiele gezeigt bekommen. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass sie essen, obwohl sie eigentlich keinen Hunger haben.

Zucker kann bei einigen ein suchtartiges Verhalten auslösen. Dr. Serge Ahmed hatte an Ratten beobachtet, dass Zucker vermutlich eine noch höhere Suchtwirkung hat als Heroin und Kokain. Deshalb sehen manche Wissenschaftler den Zucker als harte Droge an – die Kindern zu jeder erdenklichen Festlichkeit angeboten wird. Und ansonsten – im Gegensatz zu den Drogen – auch an jeder Ecke erhältlich ist. Kamila Banel spricht zu Recht davon, dass es ein Skandal wäre, würden wir bei einem Besuch Kindern Kokain mitbringen. Wenn wir stattdessen Süßigkeiten dabei haben, ist das jedoch vollkommen in Ordnung.

Professor Joseph Schroeder vom Connecticut College hat zusammen mit seiner Assistentin nachgewiesen, dass Ratten von Keksen, die in Amerika sehr beliebt sind, abhängiger wurden als von Kokain. Weitere Experimenten haben ergeben, dass Ratten sich bei Versuchen mehr anstrengten, um an Zucker zu kommen, als sie es bei Kokain taten.

Wie süchtig Damon Gameau nach sechs Wochen Zuckerexperiment war, merkte er, als er die „Droge“ absetzen wollte. Er verglich die erste Woche mit dem Verzicht auf Nikotin. Dieses Experiment lässt sich übrigens von jedem leicht nachvollziehen, wenn wir es selbst an uns vornehmen (sogar ohne vorher die Dosis an Zucker gesteigert zu haben): Probiere es doch einfach mal aus, komplett auf Zucker zu verzichten. Wenn du das schon mal gemacht hast, wirst du das Gefühl kennen, dass dir irgendwas fehlt, du nicht wirklich zufrieden bist. Einige werden die Erfahrung gemacht haben, dass sie spätabends doch noch in den Supermarkt laufen, um sich den „Stoff“ zu holen – um anschließend zufrieden auf der Couch zusammenzusinken.

Das Zusammenspiel der Hormone Insulin und Leptin sorgt dafür, dass wir als Folge eines erhöhten Zuckerkonsums immer dicker werden. Das Leptin signalisiert dem Hirn, dass der Mensch satt ist und keine weitere Nahrung zu sich nehmen muss. Insulin ist sein Gegenspieler: Je weniger Insulin wir im Blut haben, desto besser wird das Leptin vom Gehirn erkannt. Ist der Insulinspiegel zu hoch, kann das Leptin nicht erkannt werden; wir essen weiter. Eine hohe Insulinausschüttung führt dazu, dass der Körper Fett speichert. Im Gegensatz dazu wird bei einer hohen Leptinausschüttung Fett verbrannt. Leider steigt der Insulinspiegel in unserer Gesellschaft von Jahr zu Jahr immer weiter an. Die Menschen heute schütten die doppelte Menge an Insulin aus wie jene vor 30 Jahren – bei derselben Menge an Zucker.

Comfort Food gegen Stress

Heutzutage haben wir täglich mehr Anlässe, Stress zu empfinden, als früher. Bei Stress schüttet unser Körper Cortisol aus, und das sorgt dafür, dass wir mehr Comfort Food essen, also Nahrung, die uns fürs Erste beruhigt und zufriedenstellt, Süßes wie Fettiges. Negative Gefühle werden auf diese Weise immer häufiger mit Essen bekämpft. 

Eine britische Studie hat gezeigt: Je niedriger der Posten ist, den eine Person in der Arbeitswelt hat, desto kürzer lebt sie, denn auch da nimmt der Stress zu. Stress in Folge von unsicheren Lebensverhältnissen verändert zudem unsere Hirnstruktur. 

Mutter tröstet Kind
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Leider haben auch zunehmend Kinder Stress. Sie werden vielleicht in der Kita oder Schule von anderen gemobbt oder machen sich Sorgen, wenn es innerhalb der Familie zu Spannungen kommt. Oder weil die Familie nicht viel Geld hat und sie sich die schicke Hose, die gerade in ist, nicht leisten können und sich dafür schämen. Oder bei Pandemien, die unser aller Weltbild ins Wanken bringen und Kinder ganz besonders belasten. Auch wenn die Eltern nur wenig Zeit für sie haben, weil sie arbeiten müssen. Kinder reagieren auf Psychostress, indem sie essen. Auch bei fehlender Liebe und Akzeptanz greifen sie zu Süßigkeiten – selbst später im Erwachsenenalter. Stress führt zu Schlaflosigkeit und diese wiederum zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme. 

Haben Kinder Stress in ihrer Kindheit, ist das Risiko höher, dass sie als Jugendliche oder Erwachsene dick werden. Aber dieser Mechanismus greift bereits früher: Stress der Mutter oder falsche Ernährung übertragen sich auf den Fötus. Hat die Mutter während der Schwangerschaft Stress, signalisiert sie dem Kind, dass die Welt draußen feindselig ist. Dem Fötus wird vermittelt, dass er lieber Energie speichern soll, weil er diese vermutlich später brauchen wird. 

Wer als Fötus unterernährt war, leidet später häufiger an Fettleibigkeit. Das gilt leider auch für viele Frühchen. Wenn der behandelnde Arzt es dann noch gut mit ihnen meint und ihnen zusätzlich hochkalorisches Babymilchpulver verschreibt, gewöhnen sie sich schon früh an eine hohe Kalorienzufuhr und werden später möglicherweise ebenfalls dick.

Kein Entrinnen

Der Ausweg aus der Stressfalle ist simpel; zumindest suggerieren uns das die Medien, in denen fast rund um die Uhr Werbung läuft: Einfach zu einem süßen Snack greifen; das schafft Erleichterung. So die Werbebotschaft. Das Verheerende an Werbung jedoch ist, dass gerade Kinder bis zum Alter von 8 Jahren sie nicht vom normalen Unterhaltungsprogramm unterscheiden können – so, wie sie Wahrheit oftmals nicht von Fiktion trennen können. 

Die Zeitspanne, in der ein Kind täglich mit unterschiedlichen Medien beschäftigt ist, steigt von Jahr zu Jahr. In den Werbeunterbrechungen werden die Kleinen mit Helden aus beliebten Kinderserien konfrontiert, die sich just für das ungesündeste Produkt entschieden haben. Anschließend quengeln die Kleinen im Supermarkt – auch damit ihnen ihre Mama das Spielzeug kauft, das einer Süßigkeit beigelegt ist.

Süßes verkauft sich auch am Kiosk am besten. Je süßer ein Lebensmittel, desto besser sein Absatz. Deutsche Süßwarenhersteller liegen in Europa an der Spitze, mit keinem anderen Lebensmittel werden höhere Gewinne erzielt. Die Umsätze steigen – obwohl den meisten Käufern bewusst ist, dass sie sich damit nicht unbedingt einen Gefallen tun. Und gerade Kinder und Jugendliche lieben Süßkram. 

Kindergeburtstag
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Durch die raffinierten Werbemaßnahmen, die oft schon sehr kleine Kinder im Visier haben, torpediert die Lebensmittelindustrie die Versuche der Eltern, ihren Nachwuchs an eine gesunde Lebensweise zu gewöhnen. Erst recht, wenn beispielsweise Kinderfeste von Lebensmittelkonzernen gesponsert werden. Da helfen nicht einmal aufklärende Kampagnen – gegen den Werbeetat der Lebensmittelindustrie kommen diese gar nicht erst an.

Wichtigkeit von Ernährung

Dass wir uns gesund ernähren sollen, weiß jedes Kind. Doch wie eng unsere Gesundheit damit verknüpft ist, was wir essen, wissen die wenigsten. Das Gehirn eines Kindes wird bereits während der Schwangerschaft gebildet. Wie gut es funktioniert, hängt davon ab, wie die Mutter sich währenddessen ernährt und was der Säugling nach der Geburt zu essen bekommt. 

Im Rahmen einer Studie hat man Hamstern ausschließlich Mais zu essen gegeben. Diese einseitige Ernährung führte dazu, dass sich die Tiere aggressiv verhielten. Es ging sogar so weit, dass die Weibchen ihre Jungen aufaßen.

Eine australische Studie hat ergeben, dass Kinder von Müttern, die während ihrer Schwangerschaft viele verarbeitete Produkte zu sich genommen haben, insgesamt launischer, aggressiver und sogar cholerischer waren. Dasselbe galt für Kinder, die diese Produkte selbst aßen. Sie waren zudem ängstlicher und bekamen Albträume.

Während des Zweiten Weltkrieges hatte es in den Niederlanden eine Hungersnot gegeben. Dies führte dazu, dass einige Frauen unterernährt waren. Die Folge für ihre Kinder war, dass diese im Verlauf ihres Lebens soziale Schwierigkeiten bekamen. 

Dass Ernährung nicht nur einen Einfluss auf unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere Gedanken hat, konnte man am Institut für Psychologie in Lübeck nachweisen: Die Probanden bekamen einige Münzen präsentiert. Wie viele der Münzen sie am Ende des Versuchs geschenkt bekamen (und behalten durften), bestimmte eine andere Person. Die ging allerdings ziemlich unfair vor, teilte sich von den zehn Münzen acht zu, gab dem Probanden nur zwei. Die Frage an die Versuchsperson war, ob sie dieses Angebot akzeptierte und immerhin das mitnahm, was ihr geboten wurden, oder lieber verzichtete – sodass ihr Gegenüber ebenfalls leer ausging.

Erstaunlicherweise hing die Entscheidung damit zusammen, was die Probanden gefrühstückt hatten. Sie bekamen an zwei Tagen ein ähnliches Frühstück, wobei das eine proteinreicher war, das andere hingegen zuckerhaltiger. Diejenigen, die die proteinreiche Mahlzeit zu sich genommen hatten, reagierten toleranter auf das Angebot, die „Zucker-Gruppe“ war eher sensibel.

Der Versuch zeigt, dass unsere Mahlzeiten schon in wenigen Stunden subtil die Chemie in unserem Gehirn verändern. Sie haben damit Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden.

Bei einer Studie in einem Gefängnis wurden den Inhaftierten zusätzlich zu ihrer üblichen Ernährung wichtige Vitamine, Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren verabreicht. Als Folge nahmen die Vorfälle in den Gefängnissen um ein Drittel ab.

Auch unsere Hirnkapazität und unser Gedächtnis hängen sehr wahrscheinlich mit unserer Ernährung zusammen. Die Universität von Sydney formulierte die Hypothese, dass fettreiches und süßes Essen Entzündungen hervorruft, die sich auch in den Neuronen ausbreiten.

Was bringt ein Zuckerverzicht?

Mit einem Wort: viel. Neben der Vermeidung der Entzündungen im Nervenapparat treten rheumatische Entzündungen nicht so stark zutage; Kranke haben weniger Gelenkschmerzen. Der Ernährungsberater Bartek Kulczyński nennt noch viele weitere Vorteile: Je weniger Zucker wir essen, desto weniger Appetit haben wir, nehmen unter Umständen also ab. Wir haben bessere Laune. Wir neigen seltener zu Depressionen, haben weniger Ängste. Unser Schlaf bessert sich; wir empfinden mehr Freude am Leben. Dazu fühlen wir uns energiegeladen, arbeiten konzentrierter und sind insgesamt produktiver. Unsere Haut wird reiner und ist weniger trocken. Da eine zuckerarme Ernährung gut fürs Mikrobiom ist, haben wir weniger Magen-Darm-Beschwerden wie zum Beispiel Blähungen. Wenig Zucker ist gut für unser Herz und die Blutgefäße; der Blutfluss in den Gefäßen bessert sich. Auch unsere Leber und die Nieren profitieren von einer Umstellung.

Dr. Jennifer Ashton berichtet von einer Studie an übergewichtigen Kindern, in der bereits nach neun Tagen Zuckerreduktion erste Ergebnisse sichtbar waren: Die Kinder hatten niedrigere Cholesterin- und Triglyceridwerte, ihr Blutdruck sank. Auch in dieser Studie wurde bewiesen, dass die vorher erhöhten Werte bei den Kindern nicht durch die bloße Kalorienzufuhr, sondern eben durch den Zuckerkonsum zustandekamen.

Kind mit Teddy beim Arzt
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Viele Krankheiten und Symptome, die durch falsche Ernährung verursacht werden, lassen sich umkehren, wenn wir unsere Ernährung anpassen. Oder anders: Das, was wir uns und unseren Kindern durch das Essen zugefügt haben, können wir durch das Essen wiedergutmachen. 

Wir sollten die Verantwortung für unsere Gesundheit nicht komplett an Ärzte abgeben, sondern das, was in unserer Macht ist, selbst in die Hand nehmen. Warum? Lies einfach weiter.

Ärzte sind keine Ernährungsberater

Warum man sich in puncto Gesundheit nicht ausschließlich auf Ärzte verlassen kann, wird im Film „Eating You Alive“ erläutert: In der westlichen Heilkunde wurde vor hundert Jahren das Modell der Akutversorgung etabliert, mit dem man Infektionskrankheiten und Verletzungen gut behandeln konnte. Nun aber, da sich die Krankheiten verändert haben und Menschen zunehmend von chronischen Leiden heimgesucht werden, wie Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, passt das Vorgehen nicht mehr. 

Ärzte wissen sehr gut, wie man Krankheiten – oder besser gesagt: ihre Symptome – heilt, aber deutlich weniger dazu, wie Krankheiten verhindert werden können.

In den 70er Jahren kam das Thema Ernährung in der ärztlichen Ausbildung so gut wie nicht vor und auch heute noch lernen Ärzte verhältnismäßig wenig über Ernährung. Stattdessen liegt der Fokus auf der Gabe von Medikamenten und Eingriffen. 

Problematisch ist darüber hinaus, dass sowohl Ärzte wie auch Pharmakonzerne davon profitieren, wenn wir krank sind. Der Pharmasektor ist mehr als lukrativ. Lifestyle-Coach Sheanne Moskaluk fasst es in der Dokumentation treffend zusammen: „Niemand verdient Geld, wenn du nach Hause geschickt wirst, um Gemüse zu essen und Wasser zu trinken.“ Deshalb tut jeder Einzelne gut daran, zusätzlich selbst für sich zu sorgen – eben über die Ernährung oder beispielsweise auch über Bewegung.

Damit tun wir nicht nur etwas für uns, sondern auch für unsere Gesellschaft, die schlussendlich die Kosten der Krankheit trägt. Das Magazin „frontal“ schätzt, dass die Ausgaben für die Folgen von Diabetes einen 10-Prozent-Anteil an den gesundheitlichen Gesamtausgaben haben.

Zuckerfreie Ernährung ist einfach!

Die erste wertvolle Maßnahme für uns und unsere Kinder ist die Einhaltung der 80-20-Regel. Das heißt, wir essen zu 80 Prozent gesunde Lebensmittel, bei den restlichen 20 müssen wir es nicht ganz so genau nehmen, können also auch mal sündigen.

Doch was ist wertvolle Nahrung? In den meisten Fällen sind das unverarbeitete Produkte. Also all das, was noch unsere Oma aufgetischt hat. Diese „echten“ Lebensmittel enthalten keinen zugesetzten Zucker. Diese Produkte erkennt man auch daran, dass sie verderblich und nicht ewig haltbar sind.

Gesundes Essen
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„Unverarbeitet“ bedeutet bei Korn oder Reis, dass wir uns hier für die Vollkornvariante entscheiden. Diese hat einen niedrigeren glykämischen Index. Das bedeutet, dass beim Verzehr der Blutzuckerspiegel nicht so schnell ansteigt wie bei ihren von Nährstoffen befreiten Varianten. Generell sollten wir darauf achten, den Blutzuckerspiegel über den Tag verteilt nicht zu stark durch zu viele Kohlenhydrate und gesüßte Lebensmittel ansteigen zu lassen.

Wie schnell der Blutzuckerspiegel ansteigt – und wie sehr wir davon zunehmen – hängt auch mit der Art der Zubereitung zusammen. Durch 100 g Pasta kann man mal mehr, mal weniger Fett ansetzen – in Abhängigkeit davon, ob sie lange gekocht hat oder eher „al dente“ ist. Die Pasta, die lange im heißen Wasser war, wird von unserem Magen schneller verdaut, entsprechend schnell steigt der Blutzuckerspiegel. Deshalb ist bei der zuckerarmen Ernährung die Al-dente-Variante vorzuziehen.

Ballaststoffe verhindern ebenfalls den sprunghaften Anstieg des Insulins, deshalb sollten wir möglichst viele davon über den Tag verteilt zu uns nehmen. Wie bereits erwähnt, ist es deutlich besser, Obst und Gemüse im Ganzen zu essen, statt sie zu einem Saft zu verarbeiten. Denn so bleibt ihre Struktur erhalten.

Eine zuckerarme, ballaststoffreiche Ernährung hilft uns nebenbei auch abzunehmen, weil der Blutzuckerspiegel konstant bleibt und nicht zu viel Insulin ausgeschüttet wird.

Im Supermarkt

Der Supermarktbesuch steckt voller Fallen; überall lauert der versteckte Zucker. Doch auch hier gibt es einfache Regeln, die uns den Einkauf vereinfachen: Unsere erste Anlaufstelle sollten der Obst-und-Gemüse-Stand sein. Alles, was darüber hinausgeht, müssen wir – zumindest bei unseren ersten Einkäufen – genau inspizieren. 

Am besten kaufen wir Lebensmittel ohne Etikett und ohne bekanntes Firmenlogo, denn dies ist ein recht sicherer Hinweis auf ein verarbeitetes Produkt. Falls doch ein Etikett darauf ist, sollten wir es genau unter die Lupe nehmen: Alles, was mehr als drei Bestandteile enthält, steht in Verdacht, ungesund zu sein und beigefügten Zucker zu enthalten. Je länger die Liste, desto schlimmer. Zusätzlich können wir uns die Einzelbestandteile genauer anschauen und dort den Zucker in seinen verschiedenen Variationen ausfindig machen (siehe dazu das Kapitel „Verwirrende Kennzeichnung“). 

Einkaufskorb mit Gemüse
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Das Etikett sollten wir uns immer anschauen, auch wenn wir ein vermeintlich gesundes Produkt in den Händen halten. Und zuletzt: Wir sollten nicht hungrig in den Supermarkt gehen; dann ist die Verlockung, zu einem ungesunden Lebensmittel zu greifen, nicht so hoch. 

Zu Hause

Hier sind wir vollkommen frei und haben es in der Hand, dem Zucker zu entgehen. Zum Beispiel indem wir bei Rezepten die Zugabe von Zucker um ein Drittel reduzieren. Wir sollten uns angewöhnen, selbst zu kochen – wer dies nicht tut, bleibt abhängig von der Lebensmittelindustrie. 

Es müssen keine Rezepte sein, für die man stundenlang am Herd steht: Es genügt, beispielsweise ein Stück Biolachs in der Pfanne zu braten, als Beilage einige Kartoffeln zu kochen (gerade gekochte Kartoffeln haben einen niedrigen glykämischen Index) oder Vollkornreis. Als weitere Beilage entweder einen Rohkostsalat oder etwas gedünstetes Gemüse. Fertig ist die gesunde, schmackhafte und schnell zubereitete Mahlzeit.

Wer den Zucker in seiner Ernährung noch stärker senken möchte, setzt bei den Beilagen auf Low-Carb-Alternativen wie beispielsweise Zucchininudeln.

Haben wir uns insgesamt an weniger Zucker gewöhnt, schmecken selbst Dinge wie Möhren oder Äpfel wieder süß. Robert Lustig, der zugibt, in frühen Jahren ebenfalls verarbeitete Nahrung gegessen zu haben, erzählt in einem Interview, dass er mittlerweile sogar nur einmal im Monat mit seiner Familie auswärts essen geht, weil er in einem Restaurant den versteckten Zucker weder kontrollieren noch überblicken kann.

Getränke

Was die Getränke angeht, ist es ganz einfach: Sie sollten auf jeden Fall zuckerfrei sein – da man ansonsten keine Kontrolle über die eingenommene Zuckermenge hat. Hier eigenen sich am besten Tees und Wasser. Damit es nicht ganz eintönig wird, gibt man dem Wasser einen Schuss Zitronensaft hinzu oder einige Scheiben Gurke. Die, die es etwas abwechslungsreicher brauchen, geben einen Spritzer Saft hinzu und trinken eine extrem verdünnte Schorle (die Schorlen in Restaurants sind – obwohl bereits verdünnt – immer noch zu zuckerhaltig, da hier der Saftanteil relativ hoch ist). Ein Glas Wasser oder Tee hilft auch, wenn wir nach der Mahlzeit Hunger auf etwas Süßes verspüren und es uns verkneifen möchten.

Zitronensaft
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Was wir nicht trinken sollten, sind Softdrinks, Energydrinks, Sportgetränke, Säfte und Smoothies. 

Ernährung von Kindern

Wie erklärt man seinen Kindern den Zuckerverzicht? Am besten gar nicht. Kinder machen das nach, was Erwachsene tun. Leben wir ihnen vor, was gut ist, haben auch sie Lust darauf. Haben sie sich bereits an eine höhere Dosis an Süßem gewöhnt, ist es sinnvoll, den Zucker langsam auszuschleichen, ohne dass sie es merken. Hat man vorher den Tee mit einem Teelöffel Zucker gesüßt, gibt man eine Zeit lang nur einen halben hinzu, dann gar keinen mehr. So ist der Verzicht besser zu bewerkstelligen. Im Idealfall bemerkt das Kind die Umstellung gar nicht.

Robert Lustig spricht davon, dass er immer zwei Patienten hat, wenn ein übergewichtiges Kind in seine Sprechstunde kommt: das Kind selbst und die Mutter oder den Vater. Sind diese nicht einsichtig und ändern ihre Essgewohnheiten nicht ebenfalls, werden alle Bemühungen um die Gesundheit des Kindes nicht fruchten, weil Eltern eine starke Vorbildfunktion haben.

Kinder bis zum 12. Lebensmonat sollten gar keine Süßigkeiten bekommen. Danach ist es wichtig, keine Verbote aufzustellen, denn Verbotenes wirkt erst recht interessant. Gut ist es, Kindern von sich aus keine Süßigkeiten anzubieten, wenn sie nicht danach fragen, und keinen Süßkram im Haus zu lagern. Auch alle gesüßten Getränke sollten aus der Wohnung verschwinden. Sind die Kinder bei Freunden eingeladen, feiern mit ihnen einen Geburtstag oder steht ein Fest wie Halloween an, sollte hingegen „Narrenfreiheit“ herrschen. Hier dürfen sie nach Herzenslust zulangen, sollten die an Halloween gesammelten Süßigkeiten allerdings an dem Tag selbst essen und nichts für später aufbewahren, denn das sorgt für eine Gewöhnung. Ähnlich ist es mit einem Adventskalender, der mit Süßem bestückt ist. Hier gewöhnt sich das Kind über 24 Tage an eine stetige Zuckerdosis.

Das Essen von Süßem sollte zu etwas Besonderem werden – zum Beispiel indem man es nur am Wochenende zu Hause anbietet –, nicht zum Regelfall. An anderen Tagen sollte gesunde Ernährung im Vordergrund stehen. Auch für Kinder sollte die oben erwähnte 80-20-Regel gelten.

Geburtstagskuchen
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Wichtig ist, dass wir als Eltern im Blick behalten, wie viel Zucker unser Kind über den Tag verteilt zu sich nimmt. Definitiv sollten wir keine gesüßten Frühstückscerealien anbieten, da unser Kind im ungünstigsten Fall den Tag über auch so jede Menge Zucker zu sich nimmt. Ein proteinreiches Frühstück, bestehend aus Eiern, Nüssen, Hüttenkäse und einem Apfel, ist da um Längen besser. 

Wir dürfen nicht vergessen: Ob wir einen Schokoriegel essen oder unser Kind, macht einen gewaltigen Unterschied, da die Körpermasse unserer Kinder viel geringer ist. Das heißt: Im Verhältnis nehmen unsere Kinder dabei viel mehr Zucker zu sich als wir.

Einfaches Rechenbeispiel: Ein Mann mit einem Gewicht von 100 Kilogramm isst einen Schokoriegel (50 g). Isst nun ein Kind mit einem Durchschnittsgewicht von 20 Kilogramm denselben Schokoriegel, hat es im Verhältnis zu seinem Körpergewicht die fünffache Menge gegessen. Im Umkehrschluss ist es also so, als hätte der Mann fünf Schokoriegel gegessen. 

Isst ein Kind auf einer Feier nun vier Schokoriegel à 50 Gramm, müsste der Mann gleich ZWANZIG Schokoriegel essen, um im Verhältnis auf dieselbe Menge zu kommen.

Sind unsere Kinder krank, sollten wir ihnen keine Süßigkeiten zu essen geben, damit sie schneller gesund werden. Ein Zuckerverzicht beeinflusst die Immunabwehr nämlich im positiven Sinne. 

Ausblick

Nun hast du einen wichtigen Überblick bekommen, worauf du in puncto Zucker achten kannst, um deine Gesundheit zumindest zu einem Teil in den Händen zu haben. Es liegt an dir, etwas daraus zu machen.

Doch wie wir gesehen haben, lässt sich global nicht auf Eigenverantwortung setzen. So wenig wie man vor nicht allzu vielen Jahren beim Zigarettenkonsum und bei der Verwendung von Autogurten darauf setzen konnte. Es reicht nicht, Menschen lediglich darüber zu informieren, dass Zucker ungesund ist. Damit erzeugt man bei ihnen nur ein schlechtes Gewissen. Selbst Foodwatch ist zu der Erkenntnis gelangt, dass Ernährungsunterricht an Schulen nur wenig bringt. Was wäre also zu tun, um der Zuckermanie Einhalt zu gebieten?

Japan hatte bereits im Jahr 2009 das Metabo-Gesetz gegen Fettleibigkeit und damit zusammenhängende Krankheiten erlassen, um die Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen – obwohl das Land im Vergleich zu anderen gar nicht stark betroffen war: Medizinerteams suchten Großbetriebe auf; sie prüften das Gewicht, den Blutdruck, den Blutzucker und die Blutfettwerte der Mitarbeiter. Wer schlecht abschnitt, bekam eine Diät verordnet. Und Bewegung. Schafften es die Unternehmen nicht, ihre Mitarbeiter zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren, hatten sie fortan höhere Beiträge in die Krankenversicherung einzuzahlen.

Um das Gesetz umzusetzen, hängten die Unternehmen Informationsplakate auf, verschickten täglich E-Mails mit Ernährungstipps und Sportübungen. Bei dem Arbeitgeber Polizei mussten übergewichtige Mitarbeiter per Fahrrad oder zu Fuß auf Streife gehen, nur diejenigen mit einem akzeptablen BMI durften das Auto nutzen. Einen Zwang für Mitarbeiter gab es zwar nicht, doch der gesellschaftliche Druck war sehr hoch. Wer beim Fitness- und Ernährungsprogramm nicht mitmachte, geriet in eine Außenseiterrolle.

Ist staatliche Kontrolle also die Lösung? Ist es vielleicht die Zuckersteuer, die unter anderem der britische Koch Jamie Oliver für Großbritannien befürwortet hatte und die tatsächlich durchgesetzt wurde? Oder werden damit nur die armen Bevölkerungsteile zusätzlich belastet, weil sie die Produkte, von denen sie vielleicht schon abhängig sind, trotzdem kaufen? Immerhin war die Folge unter anderem, dass einige englische Softdrinks mittlerweile weniger Zucker enthalten als ihre deutschen Pendants. 

Ein Schritt in die richtige Richtung wäre sicher, wie Foodwatch es fordert, zumindest die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse abschaffen, damit diese Produkte günstiger würden.

Obst und Gemüse
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Natürlich möchte niemand vorgeschrieben bekommen, was er isst. Doch ist dies nicht bereits der Fall, fragt Robert Lustig. Denn immerhin wird es dem Einzelnen mittlerweile sehr schwer gemacht, Zuckerfallen zu umgehen. Um das zu erleichtern, wäre die Einführung einer verbindlichen Lebensmittelampel wichtig, anhand derer Verbraucher auf einen Blick sehen können, wie (un)gesund ein Produkt ist. Oder des Nutriscore, bei dem gesunde Zutaten mit den ungesunden gegengerechnet werden, um so eine Gesamtüberblick zu erhalten. Vorbild sind hier Länder wie Frankreich, Belgien und Großbritannien. In Deutschland sind solche Angaben nach wie vor freiwillig. In Chile hingegen sind Warnhinweise auf Lebensmitteln gesetzlich vorgeschrieben. 

Schul- und Kitaessen sollte sich nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) richten.

Wichtig wäre auch, Werbung für zuckerhaltige Produkte zu regulieren – ähnlich wie es bei Alkohol- und Zigarettenwerbung der Fall ist. Foodwatch fordert das Verbot von stark zuckerhaltigen Produkten, deren Zielgruppe vor allem Kinder sind, um zu verhindern, dass die Werbemaßnahmen der Lebensmittelindustrie nicht noch zusätzlich zur Fehlernährung von Kindern beitragen.

In Amerika wäre es notwendig, gesunde Lebensmittel auch den armen Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. In ärmeren Vierteln überwiegen bisher meist Fastfoodketten; Läden mit Naturprodukten sind Mangelware. Und in Deutschland? Hier könnte es ein erster Schritt sein, das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufzuteilen, da es bei den Themen gesunde Ernährung leicht zu einem Konflikt mit den Interessen der Bauern geben könnte, vor allem jener, die Zuckerrüben anbauen.

Warum dieser Artikel?

„Warum schreibt QUADRO einen Artikel zum Zuckerkonsum?“, fragst du dich möglicherweise. Ganz einfach: weil uns die Gesundheit und die gesunde Entwicklung von Kindern brennend interessiert und wir das gewonnene Wissen in unsere aktuellen und zukünftigen Produktentwicklungen einfließen lassen. 

Auf dem Weg, ein fundiertes Wissen über Kinder und Familie aufzubauen, beschäftigen wir uns mit vielen interessanten Themen. Es ist unsere Leidenschaft, richtig gutes Spielzeug zu entwickeln. Unsere komplexen und vielfältig einsetzbaren Produkte unterstützen eine optimale motorische Entwicklung deiner Kinder (Fein- und Sportmotorik). Zudem fördern und stärken die Systemeigenschaften von QUADRO unter anderem auch ihre kognitiven und kreativen Fähigkeiten (vergleiche hierzu die Artikel „Couchpotatos – warum Kinder unter Bewegungsmangel noch stärker leiden als Erwachsene“, „1 + 1 + 3 = QUADRO“ und „Zwei plus drei ist violett“). 

Hast du Ideen oder Vorschläge für interessante Wissensthemen oder Fragen, die dich beschäftigen, dann schreib uns jederzeit an [email protected]. Wir freuen uns, von dir zu hören! 

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Quellen

  1. Dr. Robert Lustig. Fat Chance. The Hidden Truth About Sugar, Obesity and Disease. HarperCollinsPublishers. London, 2014
  2. Eating You Alive. Regie: Paul David Kennamer Jr. USA 2018. 
  3. Heilen ohne Pillen und Skalpell. Regie: Kurt Langbein. Deutschland, 2014.
  4. Unser Bauch. Die wunderbare Welt des Mikrobioms. Regie: Thierry de Lestrade, Sylvie Gilman. arte. Frankreich, 2019.
  5. That Sugar Film. Regie: Damon Gameau. Australien, 2014.
  6. Süße Zusatzstoffe: Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe. Lebensmittelklarheit. Portal für mehr Durchblick. Verbraucherzentrale, 24.2.2022
  7. Zucker-Schock – Wie Lobbyismus unsere Gesundheit gefährdet I frontal. ZDFheute Nachrichten, 28.7.2020
  8. Sucre, le doux mensonge
  9. Sucht nach Süßem: Warum wir zu viel Zucker essen | Die Tricks der Zuckerindustrie SWR
  10. Leben ohne Zucker: Gut für die Gesundheit? | Doku | NDR
  11. Dokumentation: Die große Zuckerlüge. Makro. 3sat
  12. Bien nourrir son cerveau | ARTE
  13. 8 Znaków Jakie Daje Ci Organizm Gdy Jesz Za Dużo Cukru
  14. Detoks cukrowy: co się stanie z Twoim zdrowiem, gdy przestaniesz jeść cukier? | Dr Bartek Kulczyński
  15. Kamila Banel. Co cukier robi z mózgiem dziecka?
  16. Les ALTERNATIVES AU SUCRE pour les enfants 
  17. Jak walczyć z uzależnieniem od słodyczy | Iwona Wierzbicka | Porady dietetyka klinicznego
  18. Sugar is Not a Treat | Jody Stanislaw | TEDxSunValley
  19. Intégrale : sucre, comment ils nous rendent accros ! - Tout compte fait
  20. PODCAST: Słodycze i cukier w diecie dziecka- tak czy nie? 
  21. How Sugar Affects Kids (Dr. Robert Lustig & Austin McGuffie)
  22. Q&A: Dr. Goday describes how sugar impacts a child's health
  23. The Connection Between Your Child's Blood Sugar and Behavior 
  24. New Study Shows Impact of Sugar on Kids
  25. Le sucre : chronique d'un tueur en série
  26. Zucker, Fett & Co. Wenn Essen krank macht.
  27. Kinderernährung. Foodwatch. 13.07.2016. 
  28. Jürgen Rees, Angela Köhler, Dieter Dürand. Japan als Vorbild gegen Fettleibigkeit. Wirtschaftswoche, 09.01.2009
  29. Anteil der Erwachsenen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit in ausgewählten OECD-Ländern im Jahr 2019. Statista.
  30. Die Welt ist zuckerkrank. WHO-Bericht zu Diabetes. Spiegel, 06.04.2016
  31. Geheime Lobbytreffen von Julia Klöckner: foodwatch klagt. Foodwatch, 02.02.2021

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